(2.1.1) Villa Heinrich Schilbach sen.
Anschrift: Greiz, Carolinenstraße 12
Bauherr: Heinrich Schilbach sen.
Baujahr: 1882
Architekt: Hans Enger, Leipzig (Blase)
Bauausführung: Golle & Kruschwitz, Greiz (Blase)
jetzige Besitzverhältnisse: privat
Nutzung: Wohnung und Büro

Zum 50. Geschäftsjubiläum der Firma Schilbach & Co., Greiz, im Jahre 1900 wurde eine Erinnerungskarte publiziert. (Foto: Weichbrodt)
Sie zeigt fünf Persönlichkeiten der Familie Schilbach. Oben in der Mitte Heinrich Schilbach sen., den Gründer der Firma, und seine vier Söhne, links oben Robert Schilbach, rechts oben Heinrich Schilbach jun., links unten Friedrich Schilbach, rechts unten Carl Schilbach.
Commerzienrat Heinrich Schilbach sen. gründete die Firma Schilbach & Co. Wollwarenfabrikation im Jahr 1850. Er erbaute die Villa Schilbach, Greiz, Carolinenstraße 12. Seine Söhne waren:
* Robert Schilbach, Kaufmann, Oststraße 32a (Adressbuch 1892)
* Karl Heinrich Schilbach jun., 1863-1914, Kommerzienrat, Wollwarenfabrikant, erbaute die
Carolinenstraße 54
* Friedrich Schilbach, 1867-1915, Kommerzienrat, Wollwarenfabrikant
* Carl Schilbach,1868-1934, Wollwarenfabrikant, Erbauer der Villa Gartenweg 2a.
-> Grabanlage Familie Heinrich Schilbach -> Grabanlage Familie Wilhelm Schilbach
-> Villa Ernst Schilbach -> Villa Carl Schilbach -> Firmensitz Schilbach & Co.
Der Architekt Hans Enger errichtete in Greiz auch das bedeutende Haus Heller, Bahnhofstraße 1. Enger war ein wichtiger Gründerzeitarchitekt. Von ihm stammt u.a. die St. Petrikirche am Theaterplatz in Chemnitz (1886-88). Das Bauwerk hat die Zerstörung der Stadt überlebt und ist heute noch zu bewundern.
In Leipzig errichtet er u.a. 1912 das Gebäude des Verlagshauses „Velhagen & Klasing, Leipzig, Prager Straße 27. (Architectura Pro Homine, 2012)
Weiterhin baute er die Leipziger Börse, Tröndlinring 2 (1883-86), 1943 zerstört. Die Leipziger Börse war eines der prachtvollsten Gebäude der Stadt Leipzig. Greiz kann stolz sein, dass Hans Enger auch hier hervorragende Proben seines baukünstlerischen Könnens hinterließ.
Die Straßenfassade sowie die Fassaden rechts zur Einfahrt und zum rückwärtigen Garten
sind überaus prachtvoll gestaltet. Das Gebäude ist ein hervorragendes Beispiel für die baukünstlerische Verbindung von gelbem Klinker und hellgrauen Sandstein.
Die grandiosen Dimensionen und der reiche Schmuck der Fassaden verleihen der
Schilbach-Villa den Rang eines Palazzo.
Die Fassaden sind reich gegliedert und enthalten zahlreiche beeindruckende Details:
Portal
Das original erhaltene große hölzerne Portal zeigt trotz unpassenden Anstrichs noch seine Schönheiten in der Holzverarbeitung und in den Beschlägen. Die künstlerisch gestaltete Türklinke zeigt den Hermeskopf, ein Attribut, das an zahlreichen Greizer Villen zu finden ist. Hermes (auch Merkur genannt), erkennbar an dem geflügelten Helm, gilt als Schutzpatron der Kaufmannschaft, im erweiterten Sinn von Handel und Gewerbe.
Portaleinfassung
Das Portal wird von zwei griechischen Säulen flankiert, auf denen Medusenhäupter thronen.
Das Medusenhaupt sollte unliebsame Besucher abschrecken, dient aber auch als interessanter Schmuck. Es geht die Sage, dass man zu Stein erstarrte, wenn man das Haupt der Medusa sah.
Portalverdachung frontal gesehen
Medusenhaupt über der rechten Säule
Medusenhaupt in Nahaufnahme
Das antike griechische Original der Abbildung des Medusenhauptes ist verloren.
Die älteste Replik der Abbildung ist die antike römische Medusa Rondanini.
Sie wird in der Glyptothek München verwahrt. Wir zeigen noch eine Gipsnachbildung aus dem Privatbesitz des Autors:
Die Sage sowie das Bildnis der Medusa Rondanini haben zahlreiche Künstler angeregt,
eigene künstlerische Darstellungen der Medusa zu schaffen.
Schlussstein mit Volute und Akanthusblatt im Portalbogen
Kartusche im Bogenzwickel
Kunstschmiedearbeit über dem Portal. Das halbrunde Fenster über dem Portal wird durch eine aufwändige, filigrane Schmiedearbeit, die Pflanzenelemente darstellt, vergittert und zugleich geschmückt.
Die Souterrainfenster sind noch mit den originalen schmückenden Schmiedearbeiten vergittert.
Die zwei Giebel zur Straße und zur Einfahrt sind mit dem steinernen Hermeskopf geschmückt. Der Kopf zur Straße hin ist stark verwittert, während der Kopf zur Einfahrt hin bestens erhalten ist. Es ist oft zu beobachten, wie Sandsteine unterschiedlicher Güte in unterschiedlichem Maße der Witterung trotzen können.
Das Gebäude ist nicht renoviert. Trotzdem sind wesentliche Teile der Fassade infolge der Verwendung hochwertiger Baumaterialien sehr gut erhalten. Auch die Verschmutzung der Fassade hält sich in Grenzen. Es fällt nicht schwer, sich die ursprüngliche Pracht und Schönheit des Gebäudes vorzustellen.
Balkone lockern die Fassade zusätzlich auf. Sie haben prächtige Balustraden als Brüstungen.
Vorgeschobene Gebäudeteile sind durch sauber gearbeitete
volutenförmige Konsolen abgestützt.
Das kunstgeschmiedete Tor der Einfahrt ist verloren. Es wurde durch ein neues Tor ersetzt.
Das Mansardenfenster der Straßenfront wurde durch einfache Fenster
des Mansardenausbaues ergänzt.
Sie stören empfindlich den Anblick des Mittelresalits. Die Gartengestaltung ist
weitgehend verloren. In der Einfahrt steht Pflanzenwildwuchs, so dass die Fassade
hin zur Einfahrt nicht zur Geltung kommt.
Auf der Gartenseite befindet sich eine großzügige Terrasse …
und ein bungalowartiger Anbau, ganz mit Sandstein verkleidet. Der Unterbau der Terrasse ist erneuerungsbedürftig. Die Geländer von Terrasse und Außentreppe sind nicht die Originale.
Es ist nachträglich angebrachter Ersatz, der das Erscheinungsbild etwas stört.
Der Mittelrisalit der Straßenfront ist stark untergliedert und gibt der Fassade ein feierliches Gepräge. Er ist ganz aus Sandstein und wird im Obergeschoss von einem Balkon beherrscht. Beidseitig vom Balkon sind kunstgeschmiedete Fahnenhalter zu erkennen.
Fensterpartie neben dem Portal
Fenster der oberen Etage mit Hauptgesims
Blendbalustrade vor einer Fensterbrüstung
Rechts neben dem Gebäude befindet sich die Einfahrt. Sie wurde früher stilvoll durch ein schönes schmiedeeisernes Tor verschlossen. Dieses scheint verloren zu sein. Gegenwärtig wird die Einfahrt durch ein nachgefertigtes gesichert. Dieses Tor enthält zwar auch einige Schmuckelemente, es verunziert aber die Straßenfront der Schilbach-Villa.
Die Schilbach-Villa ist eines der großartigsten Zeugnisse der Gründerzeitbaukunst in Greiz. Wegen seiner baukünstlerischen Qualitäten und wegen seiner zentralen Lage mitten in der Greizer Neustadt sollte dieses Gebäude im Mittelpunkt aller zukünftigen Aktivitäten der Propagierung, Pflege und Nutzung der Gründerzeitarchitektur in Greiz stehen.
Nach der Entfernung einiger wild gewachsener Gehölze kann man die zur Einfahrt gerichtete Südfassade gut sehen. Wir erkennen den ganz in Sandstein gehaltenen Mittelrisaliten mit dem Balkon im Obergeschoss und mit Bekrönung durch einen opulent geschmückten Ziergiebel.
Auch der Sockel des Gebäudes ist mit Sandsteinblöcken verkleidet. Auf dem Dach sind beidseitig des Ziergiebels zwei später hinzugefügte unschöne Dachgauben zu erkennen, die stilistisch nicht zum Haus passen. Es wäre zu empfehlen, sie zurückzubauen. Rechts ist im Obergeschoss eine überdachte Terrasse zu sehen, die sich nach dem östlich gelegenen Garten wendet. Unter der Terrasse im Hochparterre rechts ist ein später angefügter Sommerpavillon zu sehen, der mit Sandstein verkleidet ist und stilistisch dem Hauptgebäude angeglichen wurde.
Mittelrisalit der Südfassade
Gebäudekante der Südfassade hin zur westlichen Straßenfront
Ziergiebel der Südfassade, links eine der nachträglich eingebauten Dachgauben.
Östlich angebauter Pavillon mit seiner Südfassade
Östliche Seite der Südfassade einschließlich des angebauten Pavillons
Detail des Hauptgesims und einer Fensterverdachung. Über der Verdachung
der geflügelte Merkurstab als Sinnbild der Kaufmannschaft.

Foto: Waldmann
Wir zeigen ein historisches Foto der Villa Heinrich Schilbach sen. Es muss aus den 50er Jahren stammen, denn die Dachausbauten beidseitig des Zwerchgiebels bestehen schon.

Foto: Waldmann
Die Villa in näherer Ansicht.

Foto: Waldmann
Das schmiedeeiserne Tor der Seiteneinfahrt. Man kann erahnen, wie das originale Tor, das nicht mehr existiert, aussah. Wir sehen ein großes, zweiflügeliges geschmiedetes Tor und zwei hohe Torsäulen im Stil des Hauses.
Stand März 2013
Wir zeigen einige neuere Aufnahmen des prachtvollen Gebäudes:
Ansicht der Süd- und Ostseite
Die Ostseite, zum Garten gewandt mit dem Wintergarten
Der Wintergarten
Wintergarten näher
Süd- und Ostseite, ganz rechts die Toreinfahrt mit Überleitung zum Nachbarhaus
Straßenfassade mit neuen Fenstern
Erneuerte Fensterpartie in Nahaufnahme. Die neuen Fenster wurden erfreulicherweise stilistisch angeglichen, so dass der Eindruck sehr gut ist. Freilich erreichen die Neuerungen nicht die Pracht der alten Originalfenster, die mit Schnitzarbeiten geschmückt waren.
Altes Fenster im Originalzustand
Detail eines neuen Fensters in Nahaufnahme
Ansicht übers Eck mit neuen Fenstern
Die Südfassade in neuer Pracht. Die Restaurierungsarbeiten gehen voran.
Man kann die prachtvolle Villa in ihrer Schönheit wieder erleben.
Hermes frontal in Nahaufnahme. Diese Kunstwerk schmückt den Zwerchgiebel der Südseite.
Stand Juni 2019
Wir danken Frau Helga Weichbrodt geb. Schilbach sehr herzlich für die von ihr gewährte Unterstützung.
Quellen:
Architectura Pro Homine, Stadtbild Deutschland e.V., 2012
Blase s. Impressum
Greizer Adressbuch 1892
Weichbrodt, Helga: persönliche Mitteilung 2012 und Erinnerungskarte zum 50. Geschäftsjubiläum 1900 aus der Sammlung Weichbrodt.
Waldmann, Anita: Greizer Bilderbogen. In: V. SCHNEIDER (Hrsg.) in Greizer Heimatkalender 2010